Der erste Prozesstag ist vorbei und der strukturelle Rassismus des österreichischen Justizsystems wurde in vollen Zügen deutlich. Das übertriebene Ausmaß an Sicherheitsvorkehrungen – die sechs Angeklagten wurden in Handschellen von 15 Uniformierten in den Gerichtssaal begleitet und bis zum Prozessbeginn blieben sie von diesen umstellt – reflektierte die inszenierte Story der Staatsanwaltschaft: Es handle sich hier um ‚gefährliche, kriminelle Andere’, die mit dem Brand andere Insass_innen und vor allem Beamt_innen gefährdet und öffentliches Eigentum beschädigt hätten. Dass die sechs Angeklagten die Hauptverletzten in der ganzen Geschichte sind, wurde von der Richterin wortwörtlich als „Privatvergnügen“ abgetan.
Die an diesem ersten Tag Vernommenen betonten während des Prozesses immer wieder die strukturellen Bedingungen, die sie zu dieser Tat gebracht hatten: die unmenschlichen Haftbedingungen sowie das rassistische Asyl- und Justizsystem, welches aufgrund von Kleindelikten zu überdimensionalen Vorstrafen und oftmals zur Aberkennung ihres Asylstatus geführt hatte. Auch wurde deutlich, dass hinter der angeblich „durchdachten Tat“ verschiedene sich oft widersprechende Vorstellungen vonseiten der Gefangenen steckten, die der angeblich kohärenten Erzählung der Staatsanwaltschaft klar widersprechen.
Diesen Darstellungen wurde vonseiten der Richter_innen, der Staatsanwaltschaft sowie der Mehrheit der Verteidigung mit Unverständnis bis hin zu Zynismus begegnet. So wurde einerseits auf völlig sinnlosen Fragen herumgeritten, beispielsweise ob die Angeklagten denn wissen würden, das Papier brennen kann; andererseits wurden Aussagen darüber, dass einige sich das Leben nehmen wollten – wie auch in dem an die Zellentür geheftet Abschiedsbrief geäußert wurde – ins Lächerliche gezogen. So entgegnete die Richterin, nachdem einer der Angeklagten seine Gründen für den Suizidversuch dargelegt hatte – nämlich dass ihn der sichere Tod in Afghanistan nach seiner Abschiebung erwartet – warum er denn genau an diesem Tag hatte sterben wollen und nicht noch seine letzten Tage im Abschiebegefängnis genossen hätte: „ein bisschen Karten spielen mit den Arabern, ein bisschen Musik hören, ein bisschen etwas rauchen…“?
Auch wurden die Angeklagten von verschiedenen Seiten immer wieder daran erinnert, dass sie es ja „nicht geschafft hätten, sich umzubringen“ und wie sie sich denn angesichts dessen „fühlten“; ohne jegliche Rücksicht, was dieses Herumreiten auf den gewaltvollen Erfahrungen an Retraumatisierung bedeutet. Von der Anklage-Seite wurde Selbstverletzung bis hin zu Suizid in (Schub-)Haft somit jegliche Legitimität abgesprochen. Demgegenüber zeigen die Schilderungen der Gefangenen, dass unter rassistischen Haftbedingungen Selbstverletzung bis hin zu Suizid und politischer Protest nicht voneinander zu trennen sind. Der Prozess soll also ein klares Zeichen setzen: Formen von Widerstand gegen Abschiebungen sollen in keinster Weise legitim erscheinen, womit der dahinter steckende institutionelle Rassismus wieder einmal verschleiert und durchgesetzt wird. Der nächste Prozesstag mit eventueller Urteilsverkündung wird am 22. März stattfinden.